Bei der Befassung mit der Literatur zur Frage nach dem Verlauf der Christianisierung Nordeuropas wird auffällig, dass je nach Hintergrund des Verfassers zwei sich nahezu diametral entgegenstehende Lehrmeinungen im Raume stehen: Die christliche Sicht, welche die Christianisierung in erster Linie als Erlösung des Germanentums aus der Barbarei beschreibt - auf der anderen Seite die primär „heidnische“ Auffassung, in der die Einführung der neuen Religion ausschließlich mit Schwert und Feuer erfolgt sein soll.
Doch beim Blick auf die Quellen wird deutlich, dass beide Sichtweisen die Wirklichkeit nicht umfassend widerzugeben vermögen - denn weder wurde das Christentum ausschließlich mit Gewalt durchgesetzt, noch haben alle Germanen mit freudigem Hosianna das christliche Kreuz aufgenommen. Die Antwort auf die Frage, warum sich die Christianisierung so unterschiedlich vollzogen hat und was die tatsächliche Motivation hinter der oftmals freiwililligen Konversion zum neuen Glauben war, blieb innerhalb der Literatur indes weitestgehend schemenhaft.
Das vorliegende Werk bemüht sich daher, diesen Fragen nachzugehen. Nach einer kurzen Einführung zum grundlegenden Wesen der Religion und einer kurzen Skizze des Verlaufs der Christianisierung sowie der Behandlung der zumeist genannten Motivationslage, richtet sich der Blick der Darstellung auf die germanische Gottheit Balder, die zu Beginn der Christianisierung oftmals mit Jesus verglichen wird.
Balder jedoch ist keine auf das Germanentum beschränkte Gottheit, sondern eine Verkörperung der „Sonnengottheit“, die bis in die Zeit der Megalithkulturen zurückreicht und sich zwischen dem 5. und 2. vorchristlichen Jahrtausend in weite Teile der Erde verbreitet hatte.
Der Balder-Verehrung zugrunde liegt dabei ein Sonnen-Kultus, dessen Ursprung auf den hohen Norden verweist. Die Ausgestaltung dieses Sonnenkults und das Wesen der daraus enstehenden Sonnengottheit bilden so den Schwerpunkt dieser Veröffentlichung, die ein überraschend reichhaltiges Konglomerat aus Elementen zutage fördert, das von der Glaubensvorstellung der Megalithzeit und der sich anschließenden „indogermanischen“ Epoche bis ins Christentum reicht. Dieser vielfach unbeachteten Kontinuitätslinie von der Megalithkultur bis zum Christentum gilt das besondere Augenmerk vorliegender Darstellung.
Dennis Krüger - Der unbesiegte Sonnengott. Glaubenskontinuität von den Megalithkulturen bis zum Christentum. Forsite-Verlag, Bottrop, 4. Auflage 2024, 270 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Broschur, 14,90 €.
Diesen Artikel haben wir am 13.10.2024 in unseren Katalog aufgenommen.